Teilnahme an der Mahnwache für Frieden, Demokratie und Vielfalt

An der zweiten Mahnwache für Frieden, für unsere Demokratie und für ein offenes, vielfältiges und tolerantes Oeventrop nahmen zahlreiche Schülerinnen und Schüler unserer Schule mit ihren Eltern teil. Wir möchten an dieser Stelle den Beitrag unserer Kollegin, Barbara Vielhaber-Hitzegrad, veröffentlichen. Dieser zeigt sehr genau, was wir in den letzten Wochen in unserer Schule den Schülerinnen und Schülern der vierten Klassen vermittelt haben.

Ich freue mich, dass sich heute hier so viele Menschen versammelt haben, und grüße Sie und euch herzlich. Besonders freue ich mich, dass auch viele Kinder dabei sind. Ihr Kinder habt eure Zukunft noch vor euch und ihr seid die Zukunft unserer Gesellschaft. Darum ist es wichtig, dass ihr rechtzeitig demokratische Strukturen kennen- und schätzen lernt, und dass ihr eine Stimme habt.
Als nach den letzten Herbstferien die Schule wieder begann, wussten alle Kinder der 4. Klassen, dass es Krieg in Israel und dem Gazastreifen gab.
Im Kollegium waren wir der Meinung, dass wir dieses Thema nicht einfach nur anreißen sollten, weil es dafür zu umfangreich und zu schwierig ist. Besorgniserregend fanden wir auch das verstärkte Aufkommen von Antisemitismus in Deutschland.
So entschlossen wir uns, innerhalb eines Projekts Themen wie Nahostkonflikt, Angriff auf Israel, Gegenwehr Israels, Lage im Gazastreifen, bis hin zum Antisemitismus früher und heute aufzugreifen.
Die Kinder bearbeiteten in Gruppen unterschiedliche Themen und stellten sich diese gegenseitig vor. Hinzu kamen Videos aus den Kindernachrichten „logo!“, die wir uns gemeinsam anschauten sowie Infotexte, die jedes Thema noch einmal untermauerten.
Inhaltlich gingen wir schließlich zurück bis in die Zeit des Nationalsozialismus. Die Kinder erfuhren anhand von Geschichten aus dem Buch „Kinder unterm Hakenkreuz“ von Frank Schwieger, was Begriffe wie „Judenboykott“ und „Pogromnacht“ bedeuten. Diese Geschichten sprachen die Kinder emotional sehr an, da der Autor sie aus Kindersicht geschrieben hat und es diese Kinder auch wirklich gab.
Im Anschluss daran schauten wir uns zwei Bilder aus Ludwig Hoppes Geschichtsheft für Kinder zur Oeventroper Ortsgeschichte an, das seit letztem Jahr alle Kinder im 4. Schuljahr im Sachunterricht bekommen. Auf dem ersten Bild erkennt man schöne Häuser, die aussehen „wie von früher“. Auf dem zweiten Bild sind genau diese Häuser, aber man sieht, wie Fensterscheiben eingeschlagen und Möbel auf die Straße geworfen werden.
Da die Kinder nun schon Vorkenntnisse hatten, wussten sie sofort, dass es die Darstellung der Pogromnacht war und es sich um Häuser jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger handelte. Auf die Frage, wo sich das wohl abgespielt haben könnte, antworteten die Kinder: Hannover, Berlin, München, Köln…
Als sie erfuhren, dass es Bilder aus Oeventrop waren, waren sie im ersten Augenblick sprachlos. Dann: „Das war hier auch? Das hätte ich nicht gedacht!“ Somit hatten wir den Bogen zur Oeventroper Ortsgeschichte und zu uns jetzt und hier geschlagen.
Selbstverständlich haben wir auch gemeinsam das Mahnmal in der Kirchstraße aufgesucht und geschaut, in welchen Häusern jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger lebten und litten.
Diese dunkle Geschichte bzw. die dunklen Gefühle setzten die Kinder anschließend im Kunstunterricht mit dunklen Farben in abstrakter Form auf Leinwänden um.
Den dunklen Gefühlen wollten wir etwas entgegensetzen! Wir thematisierten, was man gegen Antisemitismus und gegen Rassismus tun kann.
Im Anschluss sammelten wir entsprechende Begriffe wie Toleranz, Zusammenhalt, Freiheit, Vielfalt, Mut oder Liebe. Jedes Kind wählte sich einen Begriff aus, gestaltete ihn farbig auf transparentem Papier und klebte ihn auf die dunkle Leinwand.
So wollten wir zeigen, dass wir Menschen durch unser Tun, durch unsere Haltung Zustände verändern können, es zumindest immer wieder versuchen sollten!
An diesem Punkt waren wir zwei Wochen vor Weihnachten. Zu dem Zeitpunkt wussten wir nicht, dass sich in unserem Land die Situation so zuspitzen würde, dass wir alle aus gutem Grund heute hier stehen. Unser „Toleranzprojekt“ dauerte 2 Wochen, täglich in der Regel 4 Stunden. Da stellt sich die Frage: Kann man Kindern das zumuten? Meine Antwort ist: Ja, das kann man! Denn ich habe noch keine Unterrichtsreihe erlebt, bei der alle Kinder durchgehend so interessiert und aufmerksam waren, sich eingebracht und Fragen gestellt haben – und zwar jede einzelne Minute. Das Projekt endete also vor den Weihnachtsferien. Aber dann kam plötzlich dieses Geheimtreffen Rechtsextremer in Potsdam ans Tageslicht, dsas vermutlich alle, die heute hier sind, tief schockiert hat. In unserer Klasse wurde das auch von einem Kind angesprochen. Zeitgleich fand ich einen Artikel für Kinder in der Tageszeitung, den wir uns Satz für Satz vorgenommen haben. Überschrift: Remigration – Das Unwort des Jahres. Schnell hatten die Kinder raus, dass, wenn diese angekündigten Maßnahmen passieren würden, Kinder aus unserer Schule, aus unserer Klasse betroffen wären. Spätestens jetzt wird deutlich, dass so ein Projekt nicht 2 Wochen dauert, sondern länger, vermutlich ein Leben lang.
Die Kinder fragen auch jetzt immer wieder nach, wann wir denn weitere Geschichten aus dem Buch „Kinder unterm Hakenkreuz“ hören und besprechen.
Wir Lehrerinnen der Grundschule Dinschede möchten den Kindern in unserer Schule nahebringen, dass unsere Demokratie wertvoll und schützenswert ist. Dass heute Kinder, Eltern und viele Menschen aus Oeventrop zusammengekommen sind, um gemeinsam für eine gute Sache einzustehen, zeigt uns, dass große und kleine Menschen zusammenhalten und dadurch Mut für eine gute Zukunft schöpfen können.
Einige Kinder möchten nun kurz vorstellen, welche Begriffe sie sich bei unserem Projekt ausgewählt haben und warum.

(Barbara Vielhaber-Hitzegrad, Beitrag zur Mahnwache in Oeventrop am 05.02.2024)

Published On: 6. Februar 2024By Categories: Allgemein

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